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Digitalisierung und Automatisierung

Innovationen für die Zukunft der Fahrzeuge im Schienengüterverkehr

Blick auf Fahrweg und eine Brücke aus Sicht des Lokführers bei Einfahrt in einen Rangierbahnhof in Mannheim
Blick aus dem Triebfahrzeug im Rangierbahnhof Mannheim (Foto: Steffen Bobsien)

Der Güterverkehr auf der Schiene steht im Wettbewerb mit Transporten auf der Straße stark unter Druck. Gegenüber Eisenbahntransporten bietet der Transport mit dem LKW nach wie vor Kosten- und Prozessvorteile. Trotzdem sprechen viele Aspekte für die Schiene. Die Nutzung des Schienengüterverkehrs entlastet überfüllte Straßen. Ein 740 m langer Güterzug ersetzt zum Beispiel im Schnitt 52 LKW-Fahrten. Im Vergleich zu LKW-Transporten werden durch den Schienengüterverkehr 71 Prozent weniger CO2 ausgestoßen. Mit der Schiene wird somit der Klimaschutz gefördert.

Der Masterplan Schienengüterverkehr mit der Trassenpreissenkung und dem 740-Meter-Netz-Programm, die Förderung der Energieeffizienz und das Programm ‚Zukunft Schienengüterverkehr‘ – es gibt derzeit viel Rückenwind aus der Politik, um die Wettbewerbs- fähigkeit der Schiene zu erhöhen und Innovationen zu fördern. Gerade in den Bereichen der Digitalisierung und Automatisierung liegt viel Potenzial, um den Schienengüterverkehr fit für die Zukunft zu machen.

Die DB Cargo AG als größte Güterbahn Europas bietet Geschäfts- kunden aus allen Branchen europaweite Schienentransporte aus einer Hand und verschafft ihnen damit Zugang zu einem der größten Schienennetze der Welt. Im Angebot sind Lösungen, die auf unterschiedlichste Branchen und Güter präzise zugeschnitten sind.

Gerade im Bereich „Assets & Technology“ werden Automatisierungs- und Digitalisierungsideen für Schienen- fahrzeuge und ihre Instandhaltung entwickelt und realisiert. Die Technik- und Innovationsstrategie (T&I) von DB Cargo liefert Antworten für die Weiterentwicklung. Zwei wesentliche Treiber zur Umsetzung der T&I-Strategie sind die Automatisierung und die Digitalisierung. Kernziele sind die digitale Transformation im Bereich Assetmanagement und Instandhaltung sowie die Unterstützung und Automatisierung des Zugbetriebs durch Einführung neuer Technologien.

Im Ergebnis werden dadurch eine bessere Auslastung und gesteigerte Verfügbarkeit von Asset- und Produktionsressourcen erreicht sowie eine Steigerung der Energieeffizienz, höhere Qualität und eine größere Kundenzufriedenheit. Ingenieure, Entwickler, Data Scientists sowie Experten in den Bereichen digitale Transformation und Logistik sorgen im hauseigenen „amspire Lab“ für die Umsetzung innovativer Lösungen.

Großraumbüro der DB Cargo mit PC Arbeitsplätzen
Projekte zur Digitalisierung und Automatisierung im Bereich Schienengüterverkehr werden im innovativen Lab „amspire“ der DB Cargo umgesetzt (Foto: DB Cargo AG)

Güterwagen der Zukunft

Wirtschaftlicher, leiser, energieeffizienter – so sieht die Zukunft des Güterwagens aus. Mit diesem Ziel arbeitet die DB Cargo AG zusammen mit der VTG im Forschungsprojekt „Innovative Güterwagen“, unterstützt vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Die bisherigen Ergebnisse sind bereits sehr vielversprechend und zeigen, welche Perspektiven die technologischen Innovationen bieten (mehr dazu hier).

Ein Güterzug mit den innovativen Wagen wurde dieses Jahr im September auf der InnoTrans in Berlin vorgestellt. Einer der innovativen Wagen ist der 6-achsige Flachwagen BraCoil Saghmmns-ty. Die DB Cargo AG transportiert für die Stahlindustrie pro Jahr 16 Mio. Tonnen schwere Stahlerzeugnisse (zum Beispiel Brammen, Stahlcoils). Das Ladegut ist zu schwer für effiziente Straßentransporte. Potenzial steckt in der Tatsache, dass Brammen und Stahlcoils nun mit einem Wagentyp (BraCoil) transportiert werden können, statt wie bisher mit zwei unterschiedlichen Wagentypen. Durch Multifunktionalität ist damit ein flexiblerer Einsatz möglich, auch im Containerverkehr.

Ein weiterer innovativer Wagen ist der zweigliedrige, offene Autotransportwagen mit einer sehr hohen Lade-Effizienz, insbesondere beim Transport von hohen und schweren Fahrzeugen wie beispielsweise SUV, Vans oder Transporter.

Auf dem Weg zur voll digitalisierten automatischen Kupplung?

Im Projekt sind drei Güterwagen mit zwei Typen einer automatischen Mittelpufferkupplung (AMK) ausgerüstet. Diese stammen ursprünglich aus dem Personenverkehr und wurden auf die Anforderungen des Güterverkehrs angepasst. Sie können neben der mechanischen Verbindung auch die Luftleitung automatisch kuppeln – und das unter schwierigsten klimatischen und geometrischen Bedingungen. Weiterhin ist es möglich, Komponenten aus- oder nachzurüsten, wie zum Beispiel eine Sensorik zur Überwachung des Kuppelzustandes, eine Elektrokontaktkupplung oder eine automatischen Entkuppel-Funktion.

Diese automatischen Kupplungen bringen einen Mehrwert für die Betriebsabläufe, indem sie die Zugbildungsvorgänge beschleunigen. Eine europaweit einheitliche voll digitalisierte automatische Kupplung ist damit denkbar. Für einen automatisierten Bahnbetrieb sind die Energieversorgung der Wagen sowie eine sichere Datenkommunikation im Zug von zentraler Bedeutung. Diese Themen stehen im Fokus: der sinnvolle Grad der Automatisierung, der damit erzielbare wirtschaftliche Nutzen, Fragen der Kompatibilität sowie die mit steigender Komplexität auch steigenden Kosten mit den zugehörigen Migrationsfragen.

Digitalisierung im Bereich Güterwagen

Bis 2020 werden alle Güterwagen der DB Cargo AG mit modernster Funk- und Sensortechnik ausgerüstet. Die Kunden profitieren unmittelbar von den Möglichkeiten der Positionsbestimmung über GPS-Ortung, von der RFID/NFC-Kennzeichnung sowie von der Zustandserkennung mittels Temperatur-Sensoren, Stoß-Sensorik für Fahrzeuge mit sensiblen Ladegütern und Informationen zum Beladungszustand (Voll/Leer-Erkennung).

Beschäftigte in Minden, Mainz und Frankfurt kümmern sich darum, dass immer mehr Bauarten der Flotte ausgerüstet werden. Die Werkstätten sorgen dafür, dass die Ausrüstung weiter Fahrt aufnimmt, sodass neben den Autotransport- und Stahlcoilwagen auch Schiebewand-, Schüttgut- und die ersten Containertransportwagen ausgerüstet werden können. Ziel ist es, die gesamte Güterwagen-Flotte der DB Cargo mit Sensorik und Telematik auszustatten. Jeder einzelne Wagen sendet in kurzen Zeitabständen seine Positions- und Zustandsdaten zur Überwachung an das System. Der Kunde erhält diese Information über die „Track-and-Trace“-Funktion im DB Cargo-Kundenportal „myRailportal“.

Der Vorteil der digitalisierten Güterwagen für den Kunden liegt in der Qualität der Sendung mit einem transparenten Prozess sowie einer zeitnahen und präzisen Auskunft zu Wagenstandort und Wagenlauf.

In der Wagonfinder-App werden der Wagenstandort und der Fahrtverlauf europaweit in Fast-Echtzeit (near real time) zur Verfügung gestellt. Zu Steuerungszwecken werden geografische Bereiche definiert, die im System über sogenannte Geofences individuell abgegrenzt hinterlegt werden. Je nach Bedarf kann Bewegung in diesem Geofence-Bereich zum Beispiel bei Ankünften oder Durchfahrten der Züge mit einer Benachrichtigung durch das System verknüpft werden, die den Kollegen hilft, den Kunden bestmöglich zu bedienen. Optimiert wird damit gezielt die Wagensteuerung in für den Kunden besonders relevanten Bereichen, wie zum Beispiel in Häfen und großen Anschlussgleisen. Unproduktive Zeiten können ermittelt und minimiert werden.

Güterwagen von DB Cargo in einem Hangar
Sukzessive werden alle Güterwagen der DB Cargo-Flotte mit modernster Funk- und Sensortechnik ausgerüstet, hier der Schiebewandwagen Shimmns 708.4 (Foto: DB Cargo AG)

Digitalisierung im Bereich Triebfahrzeuge

Eine wesentliche Komponente zur Digitalisierung von Triebfahrzeugen ist die Bereitstellung von spezifischen Zustands- und Geodaten zu den aktuellen Standorten der Fahrzeuge. Bis heute sind rund 700 Loks der Baureihen 185/189 oder 261/265 mit diesem System ausgestattet und senden europaweit ihre Informationen. Damit ist die Voraussetzung geschaffen für die anvisierten Umstellungen auf eine zustandsbasierte und prädiktive Instandhaltung der Fahrzeuge. Oder einfacher: Die Lok sagt jetzt selbst, wie es ihr geht und liefert die Hinweise auf mögliche Schadensausfälle, bevor diese überhaupt auftreten.

Kosten bei der Instandhaltung können reduziert sowie die Fahrzeugverfügbarkeit durch weniger und kürzere Plan-Instandhaltung gesteigert werden. Die Möglichkeit, im Vorlauf einer geplanten Zuführung aus der Ferne auf Fahrzeugdaten zugreifen zu können, verkürzt die Werkstattaufenthaltszeit. Das zahlt sich im Hinblick auf die Verfügbarkeit der Flotte aus.

Die Software-Plattform Digitale Flottensteuerung (DFS) bildet die Grundlage für die sukzessive Automatisierung der optimierten Werkstattauswahl und Instandhaltungsplanung von Triebfahrzeugen. Der Instandhaltungsplanungs- und Instandhaltungsbeauftragungsprozess soll durchgehend digital transformiert werden, um zeitaufwändige Tätigkeiten auf ein Minimum zu reduzieren. DFS besteht aus mehreren Teilprodukten und umfasst eine Störungserfassung durch Lokführer mit der dLox App, Planung und Steuerung von Werkskapazitäten mit der DFS Maintenance Plattform sowie die Instandhaltungsplanung von Lokomotiven mit DFS Fleet Control.

Diese digitale Durchgängigkeit im Störungsmanagement-Prozess geht mit mehreren Vorteilen einher. So ist es einfacher, Prozess- und Systembrüche zu vermeiden und es entsteht ein höherer Vernetzungsgrad sowie mehr Transparenz zwischen den einzelnen Nutzergruppen durch integrierte Schnittstellen. Gleichzeitig bietet die größere Datengrundlage den Baustein für Analysen, maschinelles Lernen und den Aufbau von Wissensdatenbanken.

Lokomotive von DB Cargo mit einem Güterzug unterwegs
Mit der Digitalisierung von Triebfahrzeugen stehen Daten zum Zustand und zu Komponenten zur Verfügung, hier im Bild: Baureihe 193 Vectron (Foto: DB AG/Marcus Hentschel)

Energieeffizienz von Güterzügen systembasiert unterstützen

Zügig anfahren, beim Bremsen Energie ins Netz zurückspeisen oder den Zug an den richtigen Stellen rollen lassen – im Führerstand der PS-starken Lokomotiven im Güterverkehr verbirgt sich großes Potenzial: Durch umsichtiges Fahren können Lokführer viel Energie sparen. Fahrassistenzsysteme unterstützen sie dabei.

Für eine energieeffiziente Fahrweise müssen Triebfahrzeugführer Informationen zu sich gegebenenfalls täglich ändernden Rahmenbedingungen berücksichtigen, wie beispielsweise andere Züge vor oder hinter dem eigenen Zug im Gleis. Um diese Informationen übersichtlich aufzubereiten, wurde gemeinsam mit dem Hersteller Knorr-Bremse ein Fahrassistenzsystem entwickelt, das auf mehreren hundert Lokomotiven in Deutschland genutzt und kontinuierlich weiterentwickelt wird (siehe Deine Bahn 10/2018, ab S. 46).

Monitor des Assistenzsystems Leader im Führerstand einer Lok von DB Cargo
Das Fahrassistenzsystem LEADER wird auf mehreren hundert Lokomotiven in Deutschland genutzt und kontinuierlich weiterentwickelt (Foto: DB Cargo AG)

Alle Daten stets im Blick

Ob aus Bestandssystemen oder über die Sensorik sowie Telematik direkt von Lokomotiven und Güterwagen: sämtliche relevante Daten laufen im Asset Intelligence Center (AIC) zusammen. Diese vom amspire Lab entwickelte Internet der Dinge (IoT)-Plattform bietet die technischen Rahmenbedingungen für eine Integration der Daten sowie für die Entwicklung und Implementierung von analytischen Modellen.

Dabei durchlaufen die Daten im AIC sämtliche für die Integration notwendige Phasen: Datenquellen, Datenabzug, Robotics, Datenaustausch, Datenübernahme, Datenhaltung, und Zugriffsteuerung bis hin zur Visualisierung. Kunden und Partner werden von den Experten im amspire lab durch das Asset Intelligence Center mit Data Engineering, Data Science und Data Governance Services unterstützt und können so ihre datengetriebenen Projekte erfolgreich umsetzen.

Digitale Lösungen zur Optimierung der Instandhaltung

Da sich das Umfeld in der Instandhaltung im Rahmen der Digitalisierung stetig ändert, werden auch interne Prozesse und das Regelwerke angepasst, um den manuellen Aufwand für die Erstellung und Aktualisierung zu reduzieren und mehr Flexibilität zu schaffen. Es werden Instandhaltungsregelwerke für Triebfahrzeuge und Güterwagen sowie die dazu gehörenden übergreifenden technischen Regelwerke modularisiert und digitalisiert.

Die Digitalisierung der umfangreichen Regelwerke spart den hohen manuellen Aufwand für die Erstellung, Aktualisierung und Übersetzung von aktuell zirka 20.000 Seiten Papier. Der Fokus liegt auf anwenderorientierten Modulen mit dem Ziel, sowohl die Erstellung als auch die Verteilung und Lenkung digital zu unterstützen und den Werkstätten automatisiert die Module zum jeweiligen Instandhaltungsauftrag zuzuordnen. Die Anforderungen der europäischen Landesgesellschaften außerhalb von Deutschland werden damit ebenfalls abgedeckt. Zur Umsetzung dieser Anforderungen wurde eine eigene Software entwickelt. Das entlastet die Anwender, europaweit.

Gemeinsame Weichenstellung

Um die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs signifikant zu erhöhen, müssen Innovationen kontinuierlich gefördert und implementiert werden. Neben dem Feld der Innovationen sind weitere Einflussfaktoren für die Zukunftsfähigkeit des Schienengüterverkehrs von großer Bedeutung. Dazu zählen unter anderem eine leistungsfähige und zuverlässige Infrastruktur, mit entsprechender Digitalisierung der Schiene, Trassen- und Anlagenpreise auf wettbewerbsfähigem Niveau, standardisierter Datenaustausch sowie ein Fokus auf die Aus- und Weiterbildung im Sektor.

Um diese Rahmenbedingungen zu schaffen, ist eine gemeinschaftliche Maßnahmenentwicklung durch den Sektor und die Politik notwendig, wie sie mit dem Masterplan Schienengüterverkehr bereits angestoßen wurde.

Die Erfahrungen aus den Innovations-Projekten haben gezeigt, dass DB Cargo gemeinsam mit seinen Partnern erfolgreich den Schienengüterverkehr von morgen gestalten kann. Das gilt es, heute konsequent weiter voran zu bringen, um zukünftig mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern.


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